vom Suchen, Finden und wieder Verlieren
Ein lehrreicher Reisebericht aus dem Süden Kretas, geschrieben in der Tradition der der Berg- und Wanderliteratur der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Einer wie ich hinzufügen möchte leider aussterbenden Kunstform, die ob ihrer blumigen Ausdrucksweise nicht mehr in die schnelllebige Zeit von Insta und Co. passt.
Nicht viel mehr als ein Gerücht und spärliche Andeutungen im Internet brachten uns auf die Idee auf die Suche nach einem neuen Klettergebiet zu gehen. Die Informationen waren vage – in der Nähe eines Wasserfalls gelegen, 30 Routen mit unbekannter Schwierigkeitsbewertung.
Und so machten wir uns des morgens nach einer kleinen Stärkung optimistisch und frohen Mutes mit unserem zuverlässigen Gefährt amerikanischer Provenienz auf den Weg zu diesem sagenumwobenen Ort. Kurzweilige und kurvige Sträßchen durch immergrüne Olivenhaine, die seit Generation von fleißigen Bauersleuten gehegt und gepflegt werden, leiten uns Richtung Küstengebirge.
In einem kleinen, pittoresken Ort halten wir für eine kurze Rast und verpflegen uns für die noch vor uns liegenden unbekannten Herausforderungen mit etwas einheimischen Schafs- und Ziegenkäse, einem Käse mit überaus würzigem Geschmack, der hier in den umliegenden Bergen in kühlen Steingewölben reift. Weiter geht die Fahrt bis wir in der Ferne zum ersten mal unser Ziel erspähen – eine steile Felsmauer, die sich in einiger Höhe über dem Talgrund erhebt. Nur einige wenige Minuten später lenken wir unser Gefährt über ein paar Kehren den Berg hinauf in Richtung jener Felswand.
Doch wo in dieser beträchtlichen Wandflucht ist wohl das Klettergebiet zu finden? Wir verlassen uns auf den zweiten Hinweis – die Nähe zum Wasserfall. Doch das ist zur Kretischen Herbstzeit, in der jegliches Rinnsal versiegt ist, einfacher gesagt als getan. Mit Hilfe von Kartenstudium und unserer langjährigen Erfahrung können wir den Bereich schlussendlich lokalisieren. Doch groß ist unsere Enttäuschung als wir realisieren, dass just an dieser Stelle aufgrund der Wandbeschaffenheit kein Klettern möglich sein wird.
Wo also weiter suchen? In der langen Wandflucht links vom Wasserfall fänden sich sich wohl geeignet Stellen, doch nichts will uns wirklich überzeugen. Dann aber fällt uns ein imposanter Felsriegel rechts oberhalb des Wasserfalls ins Auge. Über eine schräge Rampe steigen wir in Richtung dieser Wand auf. Ein Zaun der sich uns in den Weg stellt ist schnell überwunden. Genauso schnell ist auch klar, dass dieser Zaun der Einfriedung einer Herde Mufflonschafe dient – ein gar ungewöhnlicher Anblick für diese Gegend.
Mit ein paar kehligen Rufen im Stil walisischer Wanderschäfer bringen wir die Schafe dazu uns den Weg freizugeben. Nach wenigen Minuten kräftezehrendem Anstieg über großblockiges Gelände erreichen wir schlussendlich den Wandfuß. Und unser über die Jahre geschulter Instinkt hat uns nicht getäuscht, wir stehen direkt am Einstieg des Klettersektors. Und was für eine Wand, die sich über uns auftut, 40m hoher gelb-oranger Kalk bester Beschaffenheit. Doch unsere Freude währt nicht lange bis uns klar wird, dass mit unserem Kletterkönnen hier unten am Wandfuß für uns Schluss ist – zu Steil die Wand und zu klein die Griffe.
So machen wir uns notgedrungen auf den Rückweg – wir haben gesucht, wir haben gefunden und trotzdem bleibt uns der finale Erfolg verwehrt.
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